Staatsanzeiger

 

Bürger kämpfen gegen Bau eines Pumpspeicherwerks

 

Sie fühlen sich für dumm verkauft: Anwohner des Hotzenwalds und des Hochrheins wehren sich gegen den Bau eines Pumpspeicherwerks. Es gehe dem zukünftigen Betreiber nicht um die Förderung erneuerbarer Energien, sondern bloß um Profit. Der widerspricht: Der Standort sei ideal, auch zum Speichern von Sonnenenergie.
Von Michael Schwarz

 

HERRISCHRIED. Im Kreis Waldshut kochen die Emotionen hoch. Unten am Rhein und oben im Hotzenwald versuchen Bürgerinnen und Bürger, den Bau eines Kraftwerks zu verhindern. Dabei sieht es ein bisschen so aus wie bei Stuttgart 21 vor einigen Jahren: Befürworter und Gegner sammeln Argumente.


Pumpspeicherwerke ermöglichen Ausbau erneuerbarer Energien

 

Bei der Anlage, die nach Betreiberangaben bis zum Jahr 2018 fertig sein soll, handelt es sich um ein Pumpspeicherwerk. Pumpspeicherwerke gelten als eine der Voraussetzung für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Sie sind in der Lage, Energie zwischenzuspeichern und bei Bedarf in Strom umzuwandeln und gleichen so einen gewichtigen Nachteil von Wind- und Sonnenenergie aus. Insofern sollte man davon ausgehen, dass zumindest dieses Argument die Gegner überzeugt. Weit gefehlt. Jürgen Pritzel, energiepolitischer Sprecher der Bürgerinitiative,
wirft dem Bauherren, der Schluchseewerk AG, vor, dass es dem Unternehmen ausschließlich um den Profit geht. Denn auch die Energie aus konventionellen Kraftwerken könne bei Überangebot gespeichert und bei Bedarf in Strom umgewandelt werden. Angesichts der enormen Preisschwankungen an der Strombörse in Leipzig lohne sich dies auch bei einem Wirkungsgrad von 75 Prozent. Davon würden auch die Mutterunternehmen profitieren, die beide zahlreiche konventionelle Kraftwerke betreiben. Die Aktiengesellschaft gehört je zur Hälfte der RWE und der EnBW.

 

Julia Liebich, Pressesprecherin der Schluchseewerk AG, widerspricht Pritzel zum Teil. Zwar sprächen auch betriebswirtschaftliche Gründe für den Bau, die Anlage sei aber gleichwohl auch für die Speicherung erneuerbarer Energien vorgesehen. Nicht in erster Linie für
Windenergie - dazu sei der Weg aus Norddeutschland, wo der meiste Wind „geerntet" wird, zu weit. Dafür falle aber im Süden umso mehr Sonnenenergie an.

 

Der Standort im Hotzenwald und am Rhein sei zudem aufgrund der Fallhöhe von 600 Metern ideal. Ähnliche Voraussetzungen seien in Deutschland kaum ein zweites Mal anzutreffen. Zudem könnten sich die Kommunen, auf deren Gemarkung sich das Pumpspeicherwerk Atdorf - das nach einem Ortsteil von Herrischried benannt ist - erstrecken soll, auf vier Millionen Euro Gewerbesteuer pro Jahr freuen. Das Geld müssten sie sich allerdings mit der Stadt Laufenburg, dem Sitz der Schluchseewerk AG, sowie mit jenen Gemeinden, in denen die AG weitere Standorte hat, teilen (siehe Kasten). Zu den 350 Arbeitsplätzen würden 30 bis 40 hinzukommen.

 

Bürger sorgen sich um Natur, Kliniken um Heilwasser

 

Im Jahr 2008 wurde das Projekt erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Schon damals erntete die Schluchseewerk AG aufgrund der geplanten Eingriffe in die Natur Kritik in den beiden Hotzenwald-Gemeinden Herrischried und Rickenbach. Dort soll neben dem existierenden Hornbergbecken I das wesentlich größere Hornbergbecken II entstehen, aus dem Wasser bei Bedarf in das 600 Meter tiefer gelegene Haselbachbecken fließt. Im Mai 2009 kam es zur Gründung der Bürgerinitiative Atdorf. Nach mehreren öffentlichen Veranstaltungen wuchs auch der Widerstand in Wehr und Bad Säckingen, die unten am Rhein liegen. Widerstand kommt insbesondere von Kliniken und Reha-Einrichtungen, die um das Heilwasser fürchten, auch weil bei Probebohrungen Arsen gefunden wurde.

 

2400 Einsprüche im Raumordnungsverfahren

 

Inzwischen zählt die Bürgerinitiative 500 Mitglieder. Bei einer Unterschriftensammlung gegen das Projekt sind gar 7000 Unterschriften zusammengekommen. Deshalb hält Sprecher Pritzel eine vom Bürgermeister von Herrischried, Christof Berger (parteilos), initiierte Bürgerbefragung für überflüssig. Berger will wissen, ob seine Bürger für das Kraftwerk sind oder dagegen. Am 26. September wird abgestimmt. Das Ergebnis ist für den Gemeinderat nicht verbindlich. Interessanter sei da schon das Raumordnungsverfahren, das derzeit vom Regierungspräsidium (RP) Freiburg durchgeführt wird. Es soll bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. 2400 Einwendungen müssen abgearbeitet werden, unter anderem eine 74 Seiten starke Stellungnahme der Bürgerinitiative.

Der Erörterungstermin findet am 29. September statt. Sollte das RP dem Vorhaben zustimmen, schließt sich das Planfeststellungsverfahren an, das in die Zuständigkeit des Landkreises fällt. Als Baubeginn wird das Jahr 2013 angepeilt; die geplante Bauzeit beträgt fünf Jahre. Eine deutliche Zeitüberschreitung würde teuer: Pumpspeicherwerke gelten als Endverbraucher, weil sie per saldo keinen Strom produzieren. Deshalb sind sie ab einer Fertigstellung im Jahr 2020 nicht mehr von Netzentgelten befreit.