Südwestpresse zum Projekt

Südwestpresse

14.10.2010

 

Laufenburg. Um die Energie aus Windkraft- und Solaranlagen speichern zu können, plant die Schluchseewerk AG den Bau eines gigantischen Pumpspeicherkraftwerks im Südschwarzwald. Das Milliardenprojekt ist umstritten.

 

"Das wird das zweitgrößte Bauprojekt im Land." Die Pressesprecherin der Schluchseewerk AG im badischen Laufenburg (Kreis Waldshut), Julia Liebich, reiht den geplanten Bau des Pumpspeicherkraftwerks Atdorf im Südschwarzwald gleich hinter "Stuttgart 21" ein. Die Verlegung des Bahnhofs in den Untergrund soll etliche Milliarden Euro kosten. Der Bau des Kraftwerks "nur" eine. Beide Projekte sind umstritten. Großdemonstrationen gegen das Vorhaben, das die Landschaft zwischen dem Schluchsee und Bad Säckingen nachhaltig verändern wird, gibt es zwar noch nicht, doch hat sich eine Bürgerinitiative (BI) gegründet, die für den Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft im Hotzenwald und im Haselbachtal eintritt. Auch der BUND und die Schwarzwald Tourismus GmbH sehen das Vorhaben kritisch.

 

Die Pläne der Schluchseewerk AG sehen vor, dass auf einem Bergrücken im Hotzenwald, wo es bereits das Hornbergbecken I gibt, ein zweites, über 58 Hektar großes Becken gebaut wird, das neun Millionen Kubikmeter Wasser fassen kann. Es soll 1,1 Kilometer lang und 366 Meter breit werden. Über kilometerlange, unterirdische Stollen wird es verbunden sein mit dem fast 600 Meter tiefer liegenden Haselbecken. Das soll in das Haselbachtal bei Bad Säckingen eingebaut werden, das das gleiche Fassungsvermögen hat. Zwischen den Becken wird eine unterirdische Kaverne gebaut, in der sich die Turbinen zur Stromerzeugung befinden.

 

"Weil durch den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen immer mehr Strom aus Windkraft- und Solaranlagen anfällt, muss die Speicherkapazität erhöht werden", sagt die Pressesprecherin. Das Pumpspeicherkraftwerk werde gebaut, um vor allem diese Energie, deren Erzeugung stark wetterabhängig und deshalb starken Schwankungen unterworfen ist, zu speichern. Diese These vertritt die Schluchseewerk AG. Damit blickt sie weit voraus in die Zeit nach 2030, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien 50 Prozent und mehr betragen soll. Aktuell besteht der Strom, der ins Netz gespeist wird, überwiegend aus Kern- und Kohlekraftwerken.

 

Deshalb akzeptieren die Gegner aus der Bürgerinitiative Atdorf das Argument nicht, die Anlage werde zur Speicherung erneuerbarer Energien gebaut. "Ein Pumpspeicherwerk Atdorf soll vor allem genutzt werden, um die Gewinne von RWE und ENBW zu erhöhen", schreiben sie in ihrem Papier, in dem sie zehn Gründe nennen, warum sie gegen das Projekt sind. Weiter befürchten sie eine "gigantische Naturzerstörung: 140 Hektar intakte Natur würden vernichtet, Trinkwasserquellen zerstört. Der Tourismus als einer der wesentlichen Stützen der regionalen Wirtschaft würde stark in Mitleidenschaft gezogen." Tatsächlich geht auch das Regierungspräsidium Freiburg, wo derzeit das Raumordnungverfahren läuft, davon aus, dass für Rickenbach und Herrischried eine neue Trinkwasserversorgung gebaut werden muss, weil durch die Bauarbeiten die Quellen beeinträchtigt werden könnten.

 

Gefährdet sind nach Ansicht der BI-Mitglieder auch die Heilquellen in Bad Säckingen. Das bei Kurgästen beliebte Naherholungsgebiet im Haselbachtal würde zerstört.

 

Das prangert auch Christopher Krull, der Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH an. Er befürchtet zudem, dass während der fünfjährigen Bauzeit, die von Lärm und Schmutz geprägt sein wird, Stammgäste abwandern und verloren gehen. Er gibt auch zu bedenken, dass das "Landschaftsbild der Region nachhaltig erheblich verändert" wird, was bei vielen Touristen im Hotzenwald nicht gut ankäme. Er sieht den Tourismus im strukturschwachen Hotzenwald als "wichtigen Wirtschaftsbereich".

 

Der BUND lehnt das Projekt ab, weil es ein "massiver Eingriff in die Natur" sei und nicht schlüssig dargelegt werde, wofür das Pumpspeicherkraftwerk gebraucht werde, sagt Landesgeschäftsführer Berthold Frieß. Das Projekt greife in "bedeutende Naturgebiete" ein wie zum Beispiel Quellmoore. Zudem würden in den Wäldern Lebensräume von europaweit geschützten Arten zerstört.(Südwestpresse 14. 10.2010.)